Im Vergleich zu Schriftträgern wie Papier, Pergament oder Leder waren die Möglichkeiten der Texthervorhebung in auf Tontafeln niedergeschriebenen Keilschrifttexten aufgrund der Materialität des Schriftträgers begrenzt. Eine farbliche Hervorhebung war praktisch nicht möglich und der Gebrauch verschiedener Schriftgrößen oder -typen innerhalb eines Textgefüges weitgehend unüblich. Die mesopotamischen Schreiber entwickelten daher eine ganze Reihe von Methoden der Strukturierung und Gestaltung von Text, beispielsweise durch die Anordnung des Textes auf der Tafel oder den Gebrauch von Linien verschiedener Art, die es ermöglichten, die häufig sehr umfangreichen Kompositionen optisch überblickbar zu machen. Auch die Wahl der Größe und des Format einer Tafel selbst ist aussagekräftig.

Der Zusammenhang von Tontafelformaten und -layouts auf der einen und Textgenres auf der anderen Seite sowie die Frage nach dem Einfluss der außer-schriftlichen Charakteristika eines Schriftträgers auf die Struktur und letztlich auch den Inhalt des auf ihm angebrachten Textes hat in der assyriologischen Forschung bislang nur wenig Beachtung gefunden. Vor allem im Bereich der Gelehrtentexte eröffnet diese Fragestellung wissenschaftliches Neuland. Jedoch ist deutlich, dass ein Zusammenhang zwischen den physischen Eigenheiten einer Tafel und ihrem Inhalt besteht, der auch bei der Identifikation und Rekonstruktion von unpublizierten Texten, vor allem jener fragmentarischer Natur, von Bedeutung sein kann. Eine systematische Zusammenstellung von gattungs- und periodenspezifischen Formaten und Verfahren der Textstrukturierung und äußerlichen Textgestaltung ist ein Desiderat der Forschung. Die Tagung soll daher im Wesentlichen der Ausarbeitung des Themenspektrums eines entsprechenden Forschungsgebietes dienen und einen ersten Überblick liefern.

Um den Vortragsthemen der Tagung ein gemeinsames Tertium zu geben und so diachrone und synchrone Phänomene klarer wahrnehmen zu können, sollen in den Beiträgen einerseits Schriftzeugnisse aus der assyrischen Hauptstadt Assur, die ein breites Spektrum von Gattungen aus verschiedenen Epochen abdecken und so einen Querschnitt durch die Keilschriftliteratur bieten, im Mittelpunkt stehen. Die Fokussierung auf Texte aus einem Fundort gestattet deren Verortung innerhalb eines genau definierten geographischen und kulturellen Einflussraumes und ermöglicht somit, Entwicklungen und Präferenzen der lokalen Schreiber besser aufzuzeigen. Dem sollen in weiteren Beiträgen Beobachtungen zu anderen Textkorpora entgegengestellt werden, um eine vergleichende Betrachtung zu ermöglichen. 

Ziel der Tagung ist es, einen repräsentativen Querschnitt der Phänomene zusam-menzustellen, die die Relation von Tontafelformaten und -layouts und Textgenres charakterisieren, um daraus einen allgemeingültigen Fragenkatalog zu erarbeiten, der auf Keilschrifttexte unterschiedlicher Perioden, Fundorte und Genres gleichermaßen anwendbar ist. Zu diesem Zweck sollen im gemeinsamen Gespräch Betrachtungsweisen erörtert und Impulse für die weitere Forschung gesetzt werden. Individuelle Beobachtungen an Textgruppen sollen so einen ersten Überblick über Tafelformate, Layouts und Gestaltung von Keilschrifttexten bieten. Die Ergebnisse sollen in einem Sammelband zusammengestellt und so der Forschungsgemein-schaft zugänglich gemacht werden, um dadurch weiterführende Arbeiten zu ermöglichen und anzuregen.